Der Herbst ist die Zeit des Aufbruchs für viele unserer heimischen Vogelarten. Weltweit beginnen etwa 50 Milliarden Zugvögel ihre lange Reise in ihre Winterquartiere, wobei sie oft tausende von Kilometern zurücklegen. Allein in Europa machen sich rund zwei bis drei Milliarden Vögel auf, um in nahrungsreiche Regionen zu fliegen, nur um wenige Monate später wieder in ihre Brutreviere zurückzukehren.
Der Vogelzug ist ein Naturphänomen, das uns Menschen immer wieder zum Staunen bringt. Die Vögel vollbringen unglaubliche Leistungen auf ihren Reisen. Doch warum nehmen sie diese Strapazen auf sich, und welche Arten erregen bei ihrem Zug besonders viel Aufmerksamkeit? Wir möchten Ihnen einige der faszinierendsten Zugvögel und ihr beeindruckendes Zugverhalten vorstellen.
Warum ziehen Zugvögel in den Süden?
Der Hauptgrund für den Vogelzug ist nicht die Kälte des Winters, sondern der Mangel an Nahrung. Viele unserer Zugvögel sind Insektenfresser, die im Frühling und Sommer in unseren Breiten reichlich Nahrung in Form von Insekten, Spinnen und Würmern finden. Dies ermöglicht es ihnen, ihre Jungen erfolgreich aufzuziehen. Doch im Winter sind nur wenige Insekten unterwegs. Dies erschwert die Futtersuche oder macht sie unmöglich. Um zu überleben, müssen die Vögel in Gebiete ziehen, wo sie auch im Winter ausreichend Futter finden. Wenn im Frühjahr die Brutsaison naht, kehren die Zugvögel in ihre angestammten Brutreviere zurück, da in ihren Winterquartieren zu viel Konkurrenz um Nistplätze und Nahrung herrschen würde.
Auffälliges Zugvogel-Verhalten
Viele Vögel reisen alleine und oft nachts, wodurch sie von uns Menschen meist unbemerkt bleiben. Dass sie bereits auf dem Weg in ihre Winterquartiere sind, merken wir oft nur daran, dass wir sie nicht mehr sehen und beobachten können. Doch es gibt auch Arten, die beim Vogelzug besonders ins Auge fallen und uns ein eindrucksvolles Schauspiel bieten. Besonders bemerkenswert sind die großen Vogelschwärme sowie die Zugvögel, die in charakteristischen Keilformationen fliegen. Diese markanten Flugmuster ziehen die Blicke auf sich und lassen uns den Vogelzug in seiner vollen Pracht erleben.
Gemeinsam im Vogelschwarm – Schutz vor Feinden und die Suche nach Nahrungsplätzen
Viele Vogelarten schließen sich auf ihrem Weg in die Winterquartiere zu riesigen Schwärmen zusammen. Die Vögel nutzen die Vorteile des Schwarms, der nicht nur Schutz bietet, sondern auch die Orientierung auf langen Reisen sowie die Suche nach Nahrung erleichtert.
Aufgereiht wie eine Perlenkette
Mehl- und Rauchschwalben sind wahre Luftakrobaten, die Flugmanöver mit blitzschnellen Richtungswechseln vollführen, um Insekten zu jagen. Schwalben legen in großen Schwärmen Tausende von Kilometern zurück, um ihre Winterquartiere in Afrika zu erreichen. Dabei fliegen die kleinen Vögel im Schnitt bis zu 400 km am Tag.
Ab Ende August sammeln sich die geselligen Schwalben in großen Scharen. Diese sind bereits aus weiter Entfernung deutlich sichtbar, da die Versammlungsorte der Schwalben ein auffallendes Bild abgeben: Wie Perlen auf einer Schnur sitzen sie in gleichmäßigen Abständen auf Stromleitungen oder alten Hausantennen. Diese – zunächst für Vögel ungewöhnlich erscheinenden – Versammlungsorte bieten Ihnen eine gute Übersicht und erleichtern die Jagd auf Insekten, die in der Luft schwirren. Zudem bieten sie einen sehr guten Schutz vor Beutegreifern, die von weithin sichtbar sind. Das Sitzen auf den Stromleitungen bereitet den kleinen Schwalben keinerlei Schmerzen, da die einzelnen Leitungen Einzelpole sind und damit keine Spannungsdifferenz zwischen den Füßen entsteht. Gefährlicher wird es jedoch für große Vogelarten. Sie geraten mit höherer Wahrscheinlichkeit an zwei Leitungen oder einen Metallpfosten gleichzeitig, was einen tödlichen Stromstoß zur Folge hat.
Energiesparen durch das Fliegen in Keilformation
Zu den bekanntesten Zugvögeln zählen die majestätischen Kraniche, deren elegante Flugweise sie weithin am Himmel erkennbar macht. Im September verlassen sie ihre Brutgebiete in Nord- und Nordosteuropa, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, um sich an großen Rastplätzen zu Zehntausenden zu versammeln. Dort stärken sie sich für ihre lange Reise mit reichlich Futter. Wenn ihnen ihr Instinkt im Oktober das Zeichen zum Abflug gibt, brechen sie bei günstigen Witterungen in aller Frühe auf. Sie fliegen von Nordost nach Südwest über unser Land in Richtung ihrer Überwinterungsgebiete in Frankreich, Spanien und zum Teil Nordafrika.
Die charakteristische Flugtechnik, die die Kraniche sowie andere Zugvögel wie Gänse, Kormorane, Reiher oder die seltenen Waldrappe nutzen, ist die Keilformation. Die v-förmige Anordnung der Vögel reduziert den Luftwiderstand und spart Energie. Jeder Vogel fliegt versetzt hinter dem Vorderen und nutzt die Luftströme, die durch den Flügelschlag der vorausfliegenden Vögel entstehen. Diese erzeugen einen Sog, der den Nachfolgenden beim Fliegen hilft. Bis zu 20 % weniger Energie benötigen die Vögel, wenn sie in der V-Formation fliegen. Die kräftigen und erfahrenen Leitvögel wechseln sich regelmäßig ab, um sich zu erholen, da die Führungsposition die meiste Kraft erfordert.
Ihre Abreise machen Kraniche akustisch mit ihren markanten Trompetenrufen deutlich. Wenn sie dann in großen Gruppen mit mächtigen Flügelschlägen über den Himmel ziehen, lassen sie die Herzen von Vogelfreunden höher schlagen.
Der Himmel als Bühne: Der Tanz der Starenschwärme
Die riesigen Schwärme der Stare gehören zu den schönsten Darbietungen, die die Vogelwelt zu bieten hat. Jedes Jahr im September und Oktober versammeln sich Stare in Mitteleuropa zu Tausenden, um gemeinsam die Reise in den Süden anzutreten. In den Abendstunden, wenn die Dämmerung hereinbricht, finden sich die Vögel an ihren Schlafplätzen ein. Das Schwarmverhalten erreicht dann seinen Höhepunkt: Einzelne Gruppen vereinen sich zu einem riesigen Schwarm, der mehrere tausend Tiere umfassen kann, und tanzen wie eine schwarze Wolke über den Himmel. Die Wolke hebt sich in die Höhe, sinkt in die Tiefe, dehnt sich aus und zieht sich wieder zusammen – und das alles, ohne dass die Vögel miteinander kollidieren. Dieses Kunststück gelingt durch präzise Organisation und Zusammenarbeit. Jeder Star orientiert sich an seinen sechs bis sieben unmittelbaren Nachbarn und hält konstant eine ähnliche Position. So entstehen die charakteristischen Wellenbewegungen des Schwarms. Der Schwarm hat keinen Anführer: Jeder Vogel kann ein Flugmanöver initiieren, das wie eine Welle durch den Schwarm läuft.
Der Grund für das Verhalten der Stare ist der Schutz vor Angreifern. Greifvögel wie der Wanderfalke haben es sehr schwer, einen einzelnen Star innerhalb des Schwarms zu fixieren und zu jagen. Uns Menschen zieht die Schönheit dieser perfekten Synchronität in ihren Bann. Wer einmal miterlebt hat, wie die Stare in perfekter Harmonie am Himmel tanzen, wird diese wunderschönen Szenen nie wieder vergessen.
Ein Naturwunder zum Staunen
Der Vogelzug ist ein faszinierendes Naturphänomen, das uns jedes Jahr aufs Neue begeistert. Die aufsehenerregenden Verhaltensweisen und Flugmuster, die Zugvögel am Himmel bilden, zeigen die Anpassungsfähigkeit und den Erfindungsreichtum der Natur. Wir hoffen, dass Sie bei Ihrem nächsten Blick gen Himmel den Vogelzug mit neuen Augen betrachten können und wünschen Ihnen viel Spaß beim Beobachten der Tiere!