Vogelzug: Aufbruchstimmung bei den Zugvögeln
Der Sommer hat seinen Höhepunkt erreicht, und die kalten Monate scheinen noch weit entfernt. Doch bei den ersten Zugvögeln herrscht bereits Aufbruchstimmung. Eine faszinierende Reise, die Jahr für Jahr Millionen von Vögeln auf sich nehmen, beginnt. Während die ersten sich bereits auf den Weg in ihre Winterquartiere machen, sind andere noch mit den Vorbereitungen für die strapaziöse Reise beschäftigt. Den Anfang macht dabei einer der beeindruckendsten Flieger unter ihnen: der Mauersegler. Doch auch weitere Vogelarten wie die Nachtigall, der Kuckuck und der Pirol stehen bereits in den Startlöchern und verlassen uns schon bald.
Der Mauersegler – Meister der Lüfte
Der Mauersegler (Apus apus) ist ein wahrer Meister der Lüfte und das nicht nur wegen seiner Eleganz und Geschwindigkeit. Bereits Ende Juli beginnen die ersten Mauersegler ihre Reise nach Afrika. Die faszinierenden Vögel verbringen fast ihr ganzes Leben in der Luft und landen nur zur Brutzeit und zum Nisten. Sie schlafen, fressen und paaren sich während des Fliegens. Ihr aerodynamischer Körper und ihre langen, schmalen, sichelförmig gebogenen Flügel machen sie zu herausragenden Flugkünstlern.
Interessanterweise können Mauersegler bis zu zehn Monate ununterbrochen in der Luft bleiben. Ihre Fähigkeit, Insekten im Flug zu fangen, ermöglicht es ihnen, fast ständig in Bewegung zu bleiben. Ein Mauersegler legt Schätzungen zu Folge im Jahr mehr als 200.000 km zurück. Da Mauersegler im Flug Insekten und sogenanntes Luftplankton fangen, legen sie im Gegensatz zu anderen Zugvögeln nur sehr wenig Fettreserven für den Vogelzug an. Ausgelöst werden ihre Abflugzeiten nicht durch Wetterveränderungen, sondern durch die Länge des Tages. Mauersegler, die beispielsweise in Nordfinnland brüten, machen sich erst Ende August auf den Weg gen Süden.
Vogelzug im Hochsommer: Frühe Abreisen in den Süden
Neben den Mauerseglern machen sich auch andere Zugvögel bereits im Hochsommer auf den Weg nach Süden, während die meisten Arten erst im Herbst die Reise antreten.
- Pirol (Oriolus oriolus): Mit seinem auffälligen gelb-schwarzen Gefieder gehört der Pirol zu den markanteren Zugvögeln. Als Breitfrontzieher überqueren Pirole die Alpen und die Sahara ohne Umweg. Der Wegzug aus den Brutgebieten beginnt schon Ende Juli und erreicht Ende August seinen Höhepunkt. Nachzügler können in Mitteleuropa bis in den Oktober hinein beobachtet werden. Pirole überwintern im tropischen Afrika und folgen dabei keiner besonderen Zugroute, sondern nehmen mehr oder weniger den direkten Weg in ihr Überwinterungsgebiet. Dies zeigt die bemerkenswerte Ausdauer und Anpassungsfähigkeit dieser farbenprächtigen Vögel.
- Nachtigall (Luscinia megarhynchos): Die Nachtigall, eher schlicht und unscheinbar im Aussehen, begeistert mit ihrem wunderschönen Gesang. Ab Mitte August beginnt sie ihre lange Reise in den Süden, wobei sie einzeln und in erster Linie in der Nacht zieht. Als Langstreckenzieher legt die Nachtigall beeindruckende Distanzen zurück. Sie überwintert in den Feuchtsavannen zwischen dem Äquator und der Sahara. Der Wegzug setzt bereits Mitte August ein und erstreckt sich bis in den September. Die Zugroute verläuft in Südwestrichtung. Über die Iberische Halbinsel erreicht die Nachtigall Afrika. Interessanterweise deuten Ringfunde auf einen leichten Umweg in der Zugroute hin, da in Portugal deutlich mehr Funde von in Deutschland beringten Nachtigallen gemacht werden als in Spanien.
- Kuckuck (Cuculus canorus): Der Kuckuck ist bekannt für seinen charakteristischen Ruf und seine ungewöhnliche Brutstrategie: das Legen der Eier in die Nester anderer Vögel. Die kleinen Kuckuckskinder wachsen deshalb ohne Anleitung durch ihre leiblichen Eltern auf, doch sie wissen ganz genau, dass sie den Winter im Süden verbringen müssen. Ab Mitte August machen sie sich alleine auf den Weg in ihre Winterquartiere, die südlich des Äquators liegen. Erstaunlicherweise sind diese jungen Vögel in der Lage, von unbekannten Orten aus ihren Weg ins afrikanische Winterquartier zu finden.
Strategien beim Vogelzug – die unterschiedlichen Taktiken der Zugvögel
Die langen Reisen vom Brutgebiet ins Winterquartier und wieder zurück fordern von den Vögeln Höchstleistungen. Um die Strapazen bestmöglich zu bewältigen, haben Zugvögel unterschiedliche Strategien entwickelt. Diese komplexen Taktiken sind lebenswichtig, um die weiten Strecken erfolgreich zu überstehen.
- Vorbereitung auf die Reise: Bevor sie ihre Reise antreten, bereiten sich Zugvögel gründlich vor. Ein zentraler Aspekt ist das Anlegen von Fettreserven. Die meisten Vögel fessen sich vor dem Zug eine beträchtliche Fettreserve an, die als Energievorrat dient. Dieses Fett wird während des Fluges in Energie umgewandelt und ermöglicht es den Vögeln, lange Strecken ohne Nahrung zurückzulegen.
- Nachtflug: Viele Vögel fliegen bevorzugt nachts. Dies hat mehrere Vorteile: Die niedrigeren Temperaturen reduzieren den Wasserverlust durch Verdunstung, und es gibt weniger Feinde, die den Vögeln nachstellen. Zudem ist die Luft nachts oftmals ruhiger, was den Kraftaufwand reduziert.
- Nutzung von Windströmungen und Thermik: Eine wichtige Strategie ist das Ausnutzen von Windströmungen und Thermik. Durch die geschickte Nutzung dieser natürlichen Phänomene können Vögel Energie sparen und größere Distanzen zurücklegen. Thermik, also aufsteigende warme Luftströme, wird besonders von großen Vögeln wie Milanen, Adlern oder Störchen genutzt, um Höhe zu gewinnen und weite Strecken ohne viel Kraftaufwand zu fliegen.
- Soziales Verhalten: Einige Arten, zum Beispiel Schwalben oder Stare, bilden große Gruppen oder Schwärme, um gemeinsam zu reisen. Dieses Verhalten bietet Sicherheit und Schutz vor Räubern. Gerade große Vogelarten wie Kraniche und Gänse fliegen in Pfeilformation, um Energie zu sparen. Diese Formation reduziert den Luftwiderstand und ermöglicht es den Vögeln, längere Strecken effizienter zu fliegen.
- Innere Uhr und Orientierung: Der Zugvogelrhythmus wird durch die innere biologische Uhr der Vögel gesteuert. Faktoren wie die Tageslängen und andere Umweltfaktoren beeinflussen den Zeitpunkt des Aufbruchs und die Dauer der Reise. Zur Orientierung nutzen viele Zugvögel die Sterne, den Sonnenstand und das Erdmagnetfeld. Landmarken wie Gebirge und Seen dienen ebenfalls als Orientierungspunkte und helfen den Vögeln, ihren Weg zu finden.
- Pausen an Rastplätzen: Während ihrer Reise legen die meisten Zugvögel regelmäßig Pausen an Rastplätzen ein. Diese Zwischenstopps sind entscheidend, um sich zu erholen und die Fettreserven wieder aufzufüllen. An diesen Rastplätzen finden sie oft reichlich Nahrung und können sich vor der nächsten Etappe stärken.
Abschied und Neuanfang
Der Vogelzug ist mehr als nur eine Reise – er ist ein Symbol für Abschied und Neuanfang. Wenn sich die Zugvögel auf den Weg machen, hinterlassen sie bei uns eine Mischung aus Bewunderung und Wehmut. Der Wegflug der Brutvögel markiert das Ende des Sommers und bereitet uns auf die kalte Jahreszeit vor. Doch steht uns auch bald ein Wiedersehen bevor: In Kürze treffen die ersten Durchzügler und Wintergäste bei uns ein und bieten neue, spannende Möglichkeiten zur Vogelbeobachtung. Die Reisen der Zugvögel erinnern uns daran, dass die Natur stets im Wandel ist. Mit den Vögeln erleben wir den Kreislauf des Lebens, der uns durch das Jahr begleitet und immer wieder aufs Neue fasziniert.